Chronik 1933

Berlin im Jahr 1933

Januar

1. Januar Der Journalistenwettbewerb »Mit Hitler in die Macht« wird beendet. Es wurden 800 Einsendungen registriert, darunter einige von Nichtjournalisten.

1. Januar Der 16jährige Hitler-Junge Walter Wagnitz wird im Wedding durch einen Dolchstoß in den Unterleib getötet. Er war das 15. Todesopfer aus der Nazi-Bewegung. Täter sollte ein Mann namens Sarow gewesen sein.

3. Januar Im Gau Berlin beginnt die NSDAP mit vier Massenkundgebungen die Forderung zu untermauern, Adolf Hitler als Reichskanzler einzusetzen. Einer der Redner war Joseph Goebbels.

7. Januar Die NSDAP veranstaltet einen großen Aufmarsch zur Beisetzung des am 1. Januar getöteten Hitler-Jungen Wagnitz. Fast zur gleichen Zeit ließ der Vernehmungsrichter den mutmaßlichen Täter Sarow wegen »fehlender Verdachtsmomente« frei.

12. Januar Vor dem Schwurgericht II beginnt der Prozeß gegen den Kommunisten Guhl. Er sollte den Neuköllner Nationalsozialisten Böwe auf der Straße getötet haben, stritt die Tat aber ab. 22 Kommunisten waren wegen ähnlicher Tatbestände angeklagt worden.

20. Januar Hitler spricht vor 5 000 »Amtswaltern« der NS-Bewegung im Sportpalast (Potsdamer Straße, Schöneberg). Er rief seine Anhänger auf, »nicht feige zu sein« und »dem Defaitismus das Genick zu brechen«.

21. Januar Die Gruppe »Bildende Kunst« des Berliner NS-Kampfbundes für Deutsche Kunst erhebt namens ihrer 400 Mitglieder Widerspruch gegen die belgische Kunstausstellung, die von der Preußischen Akademie der Künste in Berlin gezeigt werden soll.

22. Januar Die Nationalsozialisten veranstalten vor dem Hauptquartier der KPD am Bülowplatz (Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte) eine Gedenkfeier für Horst Wessel. Angeblich kamen Zehntausende zur »Gedenkfeier für den Sänger der deutschen Freiheitsbewegung«.

22. Januar Auf dem Nicolai-Friedhof (Prenzlauer Berg) findet eine Gedenkfeier für Horst Wessel statt, an der auch Adolf Hitler teilnimmt.

24. Januar Das Jüdische Museum in der Oranienburger Straße 31 wird im Beisein von Max Liebermann und anderer jüdischer Persönlichkeiten eröffnet. Das Museum war zu einem Zentrum kulturellen Lebens für Menschen geworden, die für den NS-Staat als Juden galten.

25. Januar Vor dem Karl-Liebknecht-Haus (Mitte) findet die letzte antifaschistische Kundgebung vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten statt. Etwa 130 000 Menschen nahmen daran teil.

25. Januar Die NS-Betriebszellen-Organisationen veranstalten in den Pharus-Sälen in der Müllerstraße (Wedding) eine Massenkundgebung. Dabei wurde die Absetzung des

Reichskanzlers Kurt von Schleicher gefordert.

28. Januar Reichskanzler Kurt von Schleicher ersucht den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg um Vollmacht zur Auflösung des Reichstages. Der Präsident verweigerte ihm jedoch diese Vollmacht. Damit war Schleicher zum Rücktritt gezwungen und sein Kabinett gestürzt.

30. Januar Der Führer des SA-Sturms 33, Hans Maikowski, wird bei einer Straßenschlacht in der Wallstraße (Zillestraße, Charlottenburg) zusammen mit dem Polizisten Josef Zauritz ermordet. Am 5. Februar erhielten beide ein Staatsbegräbnis.

30. Januar Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Berlin tritt Hans Bredow, Pionier des Deutschen Rundfunks, Vorsitzender der Reichs- Rundfunk-Gesellschaft und Reichs- Rundfunk-Kommissar, von seinen Ämtern zurück.

30. Januar Am Tag der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler ruft die Bezirksleitung Berlin-Brandenburg der KPD zum Generalstreik und zur Bildung einer antifaschistischen Einheitsfront auf. Der Aufruf wurde durch die Führung des ADGB zurückgewiesen.

30. Januar Wilhelm Frick wird Reichsinnenminister mit Amtssitz am Königsplatz (Platz der Republik, Tiergarten).

30. Januar Reichsinnenminister Wilhelm Frick kündigt auf einer Pressekonferenz die »Unterbindung der roten Hetze« an. Die Ausgabe der Zeitung »Die Rote Fahne« und andere Zeitungen wurden beschlagnahmt.

30. Januar Aus Anlaß der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler veranstaltet die NSDAP einen Fackelzug uniformierter Anhänger, der vom Tiergarten durch das Brandenburger Tor führte, in die Wilhelmstraße schwenkte und an der Reichskanzlei vorbeiführte.

30. Januar Reichspräsident Paul von Hindenburg ernennt Adolf Hitler zum Reichskanzler und beruft eine auf dessen Vorschlag neugebildete Reichsregierung. Ihr gehörte Reichstagspräsident Hermann Göring als Reichsminister ohne Geschäftsbereich an.

Februar

1. Februar Eugen Fischer, Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik, hält in der Kaiser-Wilhelm- Gesellschaft den Vortrag »Rassenkreuzung und geistige Leistung«.

1. Februar Reichskanzler Adolf Hitler verkündet über Rundfunk einen »Aufruf an das deutsche Volk«. Binnen vier Jahren sollten die Bauern der Verelendung entrissen und die Arbeitslosigkeit endgültig überwunden sein.

1. Februar Der Reichstag wird durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg aufgelöst.

2. Februar Das Amt des »Reichskommissars für Luftfahrt« wird geschaffen.

2. Februar Reichsminister Hermann Göring (NSDAP) erläßt ein Demonstrationsverbot für die KPD und die ihr angeschlossenen Organisationen.

3. Februar Bernhard Rust wird zum kommissarischen preußischen Kultusminister ernannt. In der bildenden Kunst müsse »gegen die Liebermänner«, in der Architektur »gegen die Laubhütten-Baumeister«, im Theater »gegen das Ausländertum« Front gemacht werden, hieß es.

3. Februar In den Sälen im Friedrichshain, in der Hasenheide, im Moabiter Gesellschaftshaus und im Charlottenburger Eden-Palast finden Massenkundgebungen der KPD statt. Zu Beginn des Jahres 1933 hatte die KPD in Berlin 30 700 Mitglieder.

3. Februar Die »Deutschen Christen«, eine 1932 gegründete, dem Nationalsozialismus nahestehende Glaubensbewegung, und Nationalsozialisten feiern in der Marienkirche (Mitte) anläßlich der Machtergreifung Adolf Hitlers am 30. Januar einen Dankgottesdienst.

4. Februar Die »Preußische Verordnung über die Auflösung der Vertretungskörperschaften« sieht die Auflösung der Stadtverordnetenversammlung und der Bezirksverordnetenversammlungen von Berlin für den 7. Februar und Neuwahlen für den 12. März vor.

4. Februar Die »Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes« wird erlassen.

4. Februar Reichspräsident Paul von Hindenburg unterzeichnet ein neues Pressegesetz. Es sah »sehr weitgehende Verbotsgründe« vor. Die Zeitung »Vorwärts« wurde drei Tage verboten, die Zeitung »Die Rote Fahne« beschlagnahmt.

6. Februar Die Reichspressestelle der NSDAP in Berlin teilt mit, daß Reichskanzler Adolf Hitler »angesichts der deutschen Not« auf seine Bezüge als Reichskanzler verzichtet, da er sich »als Schriftsteller sein Einkommen selbst verdient«.

6. Februar Bernhard Rust übernimmt die Geschäfte des preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Später wurde er zum Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ernannt.

6. Februar Reichspräsident Paul von Hindenburg löst per Notverordnung die preußische Regierung Braun-Severing auf. Damit konnte die Auflösung des Preußischen Landtages vollzogen werden.

6. Februar Der preußische Landtag wird aufgelöst.

7. Februar Nach einem Beschluß vom 4. Februar werden sämtliche gewählten preußischen Kommunalvertretungen, damit auch die Berliner Stadtverordnetenversammlung und die Bezirksverordnetenversammlungen, aufgelöst.

7. Februar Auf einer Kundgebung der Eisernen Front, die sich am 16. Dezember 1931 aus ADGB, Afa-Bund, Sportorganisationen und der SPD gebildet hatte, ruft der SPD-Vorsitzende Otto Wels im Lustgarten vor 200 000 Teilnehmern zur antifaschistischen Einheit auf.

7. Februar Auf einer illegalen Tagung des ZK der KPD im Sporthaus Ziegenhals, zu der sich die Teilnehmer zunächst in Berlin in der Sternwarte getroffen hatten, ruft Ernst Thälmann zur Mobilisierung der Kräfte gegen Naziherrschaft und faschistischen Terror auf.

10. Februar Anläßlich der Beerdigung der von Nationalsozialisten ermordeten Arbeiter Erwin Berner, Alfred Kollatsch und Paul Schulz findet am Revolutionsdenkmal in Berlin-Friedrichsfelde eine Versammlung statt, an der Tausende teilnehmen.

11. Februar Aufgrund eines Erlasses des preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring werden Angehörige von SA, SS und des Stahlhelms zu Hilfspolizisten ernannt. Dieser Erlaß wurde am 22. Februar veröffentlicht.

11. Februar Der Polizeipräsident verfügt die Ausweisung des Prager deutschsprachigen Schriftstellers Egon Erwin Kisch aus Berlin und dem gesamten preußischen Staatsgebiet wegen »staatsfeindlicher Betätigung gegen das Deutsche Reich«.

14. Februar Die Polizei besetzt die Büroräume der »Roten Hilfe Deutschlands« (RHD) in der Dorotheenstraße (Mitte).

17. Februar Der amtierende Berliner Polizeipräsident Dr. Kurt Melcher wird durch den Konteradmiral a. D. Magnus von Levetzow, ein NSDAP-Mitglied, abgelöst. Von Levetzow sprach sich für »Ruhe und Ordnung, Zucht und Sitte« aus.

17. Februar Die Zeitung »Tempo« aus dem Hause Ullstein wird »wegen unrichtiger Nachrichten« mit einem einwöchigen Erscheinungsverbot belegt.

17. Februar Käthe Kollwitz, Heinrich Mann und Stadtbaurat Martin Wagner erklären ihren Austritt aus der Preußischen Akademie der Künste. Mann und Kollwitz hatten einen Aufruf unterzeichnet, in dem zur Einheitsfront zwischen SPD und KPD aufgerufen worden war.

17. Februar Der preußische Ministerpräsident Hermann Göring fordert die Polizei auf, bei der Verfolgung politischer Gegner unnachsichtig von der Schußwaffe Gebrauch zu machen.

18. Februar Reichsrundfunkkommissar Dr. Krukenberg weist alle Sendeanstalten an, ablaufende Verträge »rechtzeitig zu kündigen«. Wie es hieß, war damit ein »erster Schritt unternommen, um auch den Rundfunk von allen unzuverlässigen Elementen zu säubern«.

22. Februar Hermann Göring, kommissarischer preußischer Innenminister, erläßt eine Verordnung, nach der in Preußen eine Hilfspolizei aus SA, SS und Stahlhelm gebildet werden sollte.

23. Februar Im Berliner Sportpalast (Potsdamer Straße, Schöneberg) findet zur Vorbereitung der Wahlen am 5. März die letzte legale Kundgebung der KPD statt. Vor 15 000 Berliner Werktätigen rief Wilhelm Pieck zur Einheitsfront gegen den Faschismus auf.

23. Februar Der preußische Ministerpräsident H. Göring erläßt eine Verordnung, nach der an den Wahltagen zum Reichstag, zum Preußischen Landtag und zu den Gemeindevertretungen das Ausschenken von Branntwein verboten ist. Das Verbot galt am 4., 5. und 12. März 1933.

23. Februar Das Karl-Liebknecht-Haus der KPD am Bülowplatz (Mitte) wird von der Polizei besetzt. Dabei wurden angeblich geheime Gewölbe und ein geheimer Kellergang in die Bartelstraße entdeckt. Mehrere Personen wurden verhaftet und Archivmaterial beschlagnahmt.

24. Februar Die NS-Betriebszellen-Organisation veranstaltet an sieben Plätzen Berlins Demonstrationen und Erwerbslosenkundgebungen. Der Andrang war so groß, daß der Verkehr teilweise zum Erliegen kam.

25. Februar Das Karl-Liebknecht-Haus am Bülowplatz (Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte), Sitz der KPD, wird von der Polizei, SA und SS durchsucht. Angeblich wurden Umsturzpläne gefunden.

26. Februar Die KPD hält im Sportpalast (Schöneberg) eine Kundgebung ab, die letzte nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Wilhelm Pieck forderte die Herstellung der Kampfeinheit der Arbeiterklasse. Die Polizei löste die Versammlung vorzeitig auf.

27. Februar Um 21.14 Uhr wird in der Wache »Stettin« Feuer im Reichstag gemeldet. Gegen 21.30 Uhr wurde die Berliner Feuerwehr gerufen. Unter Leitung von Oberbranddirektor Gempp beteiligten sich Hunderte Wehren der Stadt an den Löscharbeiten.

27. Februar In der Nacht vom 27. auf den 28. Februar werden nach vorbereiteten Listen Hunderte Kommunisten, Gewerkschafter und Intellektuelle verhaftet und in Gefängnisse sowie in Konzentrationslager der SA und SS eingeliefert. Viele wurden gefoltert und ermordet.

27. Februar Das Kabinett verabschiedet den Entwurf einer Verordnung »gegen Verrat an demdeutschen Volke und hochverräterische Umtriebe«. Danach konnte für »Landesverräter« die Todesstrafe verhängt werden.

28. Februar Der anarchistische Dichter und Publizist Erich Mühsam wird nachts aus seiner Wohnung in der Britzer Dörchläuchtingstraße 48 geholt. Mühsam wurde am 10. Juli 1934 im Konzentrationslager Oranienburg ermordet.

28. Februar Die »Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat« (Reichstagsbrandverordnung) wird erlassen. Damit wurden die wichtigsten Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft gesetzt und der Ausnahmezustand verkündet.

28. Februar Ministerpräsident Hermann Göring verbietet auf vier Wochen sämtliche kommunistischen und auf 14 Tage sämtliche sozialdemokratischen Zeitungen und Zeitschriften.

28. Februar Einen Tag nach dem Reichstagsbrand erläßt der Polizeipräsident einen Haftbefehl gegen den Prager deutschsprachigen Schriftsteller Egon Erwin Kisch wegen des »dringenden Verdachts einer strafbaren Handlung«. Kisch wurde am selben Tag festgenommen.

28. Februar Bis zum Vormittag werden im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand 130 Personen verhaftet. Unter ihnen befanden sich die kommunistischen Rechtsanwälte Litten und Apfel und der Abgeordnete Remmele.

März

1. März Der Schriftsteller und »rasende Reporter« Egon Erwin Kisch, der am 28. Februar 1933 in Berlin verhaftet worden war, wird in das Festungsgefängnis Spandau übergeführt.

3. März Ernst Thälmann, der Führer der KPD, wird in Berlin verhaftet.

4. März Die »Truppe 1931« unter Leitung von Gustav von Wangenheim gibt mit der Komödie »Wer ist der Dümmste« ihre letzte Vorstellung. Die Mitglieder verließen Deutschland und gingen in die Emigration.

4. März Zum »Tag der erwachenden Nation« wird Adolf Hitlers Rede auf 24 Berliner Plätze übertragen.

5. März Bei den Reichstagswahlen stimmen 43,9 % (in Berlin 34,6 %) der Wähler für die NSDAP. Zusammen mit den Stimmen der DNVP und des Stahlhelms (8 %) verfügte Hitler über die absolute Mehrheit im Reichstag. Die Mandate der KPD wurden annulliert.

5. März Bei den Reichstagswahlen erringt die NSDAP 288 Sitze. Die SPD erhielt 120, die KPD 81, das Zentrum 73, die DNVP 19, die Deutsche Staatspartei 5, der Christlich-soziale Volksdienst 4, die Deutsche Volkspartei 2 und die Deutsche Bauernpartei 2 Mandate.

5. März Bei den Preußischen Landtagswahlen erringen die Nationalsozialisten 211 Mandate. Es folgten die SPD mit 82, die KPD mit 63 und das Zentrum mit 68 Mandaten.

5. März Bei den Reichstagswahlen erringen die Nationalsozialisten in den meisten Berliner Stadtbezirken die Mehrheit. Dies gelang nicht in den traditionellen Arbeiterbezirken. Im Wedding erhielt die NSDAP 61 550, die KPD 92 892 und die SPD 54 184 Stimmen.

7. März Die Zeitschrift »Die Weltbühne« aus dem gleichnamigen Verlagshaus in der Kantstraße 152 (Charlottenburg) erscheint zum letztenmal. Im Jahre 1946 wurde sie in Ost-Berlin wiedergegründet.

8. März Das Karl-Liebknecht-Haus am Bülowplatz (R.-Luxemburg-Platz, Mitte) wird von der SA Berlins und Brandenburgs in Besitz genommen. Außerdem wurde in dem Haus die neugegründete Abteilung der Politischen Polizei zur Bekämpfung des Bolschewismus untergebracht.

8. März Der Schauspieler und Theaterleiter Max Reinhardt verläßt Berlin und geht in die Emigration.

9. März Die bulgarischen Kommunisten Georgi M. Dimitroff, B. Popoff und V. Taneff werden in Berlin verhaftet und in den Prozeß um den Reichstagsbrand verwickelt. Alle drei mußten im Reichstagsbrandprozeß freigesprochen werden.

11. März Die SA besetzt das »verjudete« Krankenhaus Am Urban. Viele namhafte Ärzte mußten das Krankenhaus verlassen.

12. März Bei den Stadtverordnetenwahlen von Berlin gewinnt die NSDAP acht Sitze hinzu. Damit verfügte sie über 86 Sitze, im Vergleich zu 49 Sitzen der SPD, 44 Sitzen der KPD, 11 Sitzen des Zentrums, 27 Sitzen der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot.

12. März Bei den bis zum Jahre 1946 letztmaligen Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung erhalten die NSDAP 38,2 %, die SPD 22 %, die KPD 19,5 % und das Zentrum 4,7 % der gültigen Stimmen. Die NSDAP bekam 73 Sitze mehr als bei der letzten Wahl im November 1929.

12. März In Lichtenberg erhalten bei den Kommunalwahlen SPD und KPD zusammen 20 Mandate, d.h. die Hälfte aller zu vergebenden Sitze und fast 3 000 Stimmen mehr als die NSDAP.

13. März Reichspräsident Paul von Hindenburg ernennt den Berliner NSDAP-Gauleiter Dr. Joseph Goebbels zum Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda. Zum Staatssekretär wurde Reichspressechef Walter Funk berufen.

13. März Auf Weisung des preußischen Innenministers Hermann Göring »beurlaubt« Oberbürgermeister Heinrich Sahm mehrere sozialdemokratische Magistratsmitglieder.

13. März Dem jüdischen Chefingenieur der Reichsrundfunk-Gesellschaft, Schäffer, wird die Kündigung zugestellt.

15. März Das Reichskabinett beschließt eine »erhebliche Ausweitung« der Arbeitsbeschaffungsprogramme. Auch der Arbeitsdienst wurde erheblich ausgeweitet.

15. März Die »Künstlerkolonie« am Laubenheimer Platz (Ludwig-Barnay-Platz, Wilmersdorf) wird von 350 Beamten der Schutz- und Kriminalpolizei durchsucht. »Der Angriff« bezichtigte die Bewohner, »geistige Urheber aller kommunistischen Umtriebe« zu sein.

15. März Der preußische Minister des Inneren Hermann Göring setzt den Führer der Stadtverordnetenfraktion der NSDAP Dr. Julius Lippert in das neugeschaffene Amt des Staatskommissars von Berlin ein.

16. März Auf Anordnung des Staatskommissars Dr. Julius Lippert werden die am 12. März gewählten kommunistischen Stadtverordneten Salzsieder und Frau Herz beim Betreten des Roten Rathauses verhaftet und ins Polizeipräsidium gebracht.

16. März Reichsbankpräsident Dr. Hans Luther tritt zurück. Mit Wirkung vom 17. März wurde der frühere Reichsbankpräsident Dr. Hjalmar Schacht zum Präsidenten gewählt. Er war 1930 aus Protest gegen das erneute Festschreiben deutscher Reparationen zurückgetreten.

17. März Der Berliner Staatskommissar Dr. Julius Lippert verfügt die Entlassung aller jüdischen Ärzte aus den Berliner Krankenhäusern.

18. März Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Dr. Joseph Goebbels, eröffnet am Kaiserdamm die Ausstellung »Die Frau, Frauenleben und -wirken in Familie, Haus und Beruf«. Sie unterstrich vor allem die Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter.

20. März Der Ullstein-Verlag wird an einen Strohmann der NSDAP verkauft.

20. März Den Berliner KPD-Stadtverordneten, die bei den Wahlen am 12. März 1933 ein Mandat erhalten hatten, wird durch Runderlaß des preußischen Ministers des Innern, Hermann Göring, die Wahrnehmung ihrer Funktionen verboten.

21. März In Oranienburg wird das Konzentrationslager der SA-Standarte 208, das erste Konzentrationslager im Berliner Raum, in einer stillgelegten Fabrik eingerichtet. Darin wurden zunächst viele politisch verfolgte Berliner gefangengehalten.

21. März Elf Mitglieder des Betriebsrates in der Hauptverwaltung der Bewag am Schiffbauer Damm 22 (Mitte werden von SA-Leuten verhaftet und in das »wilde« KZ in der General-Pape-Straße verschleppt.

21. März Dem Reichstag geht der Entwurf eines »Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich« zu. Das Ermächtigungsgesetz, das die Regierung ermächtigte, Verordnungen mit Gesetzeskraft ohne Beteiligung des Parlaments zu erlassen, wurde am 3. März beschlossen.

23. März In der Krolloper beginnt die erste Sitzung des am 5. März gewählten Reichstages. Von den 647 gewählten Abgeordneten erscheinen nur 538. 81 Reichstagsmandate der KPD waren von den Nazis wegen Reichstagsbrandanschuldigungen für ungültig erklärt worden.

23. März Auf der Tagung des Reichstages in der Krolloper wird das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich (Ermächtigungsgesetz«) beschlossen. Es erlaubte der Regierung, anstelle des Parlaments Gesetze in Kraft zu setzen, und galt zunächst bis 1937.

25. März Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels stattet dem Haus des Rundfunks in der Masurenallee (Charlottenburg) einen Besuch ab und erläutert vor den Intendanten und Direktoren den zukünftigen rundfunkpolitischen Kurs.

28. März In einem Brief an die Preußische Akademie der Wissenschaften erklärt der Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein seinen Austritt aus der Akademie.

28. März Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels bezeichnet in einer Rede vor Filmschaffenden im Hotel Kaiserhof den Film »Panzerkreuzer Potemkin« von Sergej Eisenstein als das Vorbild, an dem der deutsche Film in Zukunft gemessen werde.

29. März Reichskanzler Adolf Hitler trifft gegen 10.30 Uhr von München kommend auf dem Flugplatz Tempelhof ein. Er weilte gemeinsam mit der Familie von Reichsminister Joseph Goebbels in Berchtesgaden.

29. März Der Ufa-Film »Das Testament des Dr. Mabuse« von Fritz Lang wird verboten.

29. März Nachdem am Vortage im Hotel Kaiserhof (Mitte) Joseph Goebbels, Reichsminister für Volksufklärung und Propaganda, eine Unterredung mit den Spitzen der deutschen Filmindustrie führte, beschließt der Vorstand der Ufa die Entlassung jüdischer Mitarbeiter.

31. März Der Direktor der Beuth-Schule, Studiendirektor Otto Stolzenberg, wird entlassen.

31. März Ein »Vorläufiges Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich« schließt die kommunistischen Abgeordneten aus allen Parlamenten, so auch aus der Berliner Stadtverordneten- und den Bezirksversammlungen, aus.

31. März Vor den Gebäuden des Landgerichts I und des Amtsgerichts Mitte in der Neuen Friedrichund Grunerstraße am Alexanderplatz erscheinen Abteilungen der SA. Sie forderten ultimativ die Entfernung aller jüdischen Richter, Anwälte und Beamten.

April

1. April Nach der am 31. März 1933 ergangenen Verfügung, kommunistische Abgeordnete aus allen Parlamenten auszuschließen, tagt die Stadtverordnetenversammlung zum erstenmal wieder. 44 Mandate waren bereits gestrichen worden.

1. April Den im Krankenhaus Friedrichshain angestellten jüdischen Ärzten wird »mit der gesetzlichen Kündigungsfrist vorsorglich gekündigt«. Auch aus dem sonstigen Personal wurden Personen, die sich als »besondere politische Hetzer« erwiesen haben, entfernt.

1. April Paul von Hindenburg und Adolf Hitler werden auf der Stadtverordnetenversammlung das Ehrenbürgerrecht verliehen. Hitler erhielt die Auszeichnung »in Würdigung der Verdienste«, die er sich »um die nationale Wiedergeburt der Stadt« erworben hat.

1. April Ernst Storm, Assistent an der Technischen Hochschule zu Berlin, wird zum ordentlichen Professor für Berg- und Volkswirtschaftslehre ernannt. Storm hatte einen entscheidenden Anteil an der Entwicklung der wehrtechnischen Forschung an der Hochschule.

1. April Es finden erste von der NSDAP vorbereitete und durchgeführte Boykotte jüdischer Geschäfte, Cafés, Anwaltskanzleien und Arztpraxen statt. SA-Abteilungen besetzten das Hauptgebäude der Berliner Universität, die Staatsbibliothek, Institute und Kliniken.

1. April In Spandau kommt es zum Boykott jüdischer Geschäfte, wobei die SA den Spandauer Markt besetzt.

1. April Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Joseph Goebbels übernimmt die Zentralgewalt über alle Sendegesellschaften, jetzt »Reichssender« genannt.

1. April Am Tag des Judenboykotts wird in der Presse eine Erklärung der Preußischen Akademie der Wissenschaften gegen Albert Einstein veröffentlicht.

3. April In Berlin beginnt die erste Reichstagung der »Glaubensgemeinschaft Deutsche Christen«, die u.a. die Einführung des »Arier- Paragraphen« im kirchlichen Bereich fordert. Die Tagung ging bis zum 5. März 1933.

3. April Die SA-Standarte 1 unternimmt einen Propagandamarsch durch den »verjudeten Westen« Berlins. Sie wurde von Tausenden Sympathisanten begleitet.

4. April In der Grenadier- und der Dragonerstraße (Mitte) unternehmen Bereitschaften von SS und Schutzpolizei eine Razzia. Sie nahmen eine große Anzahl »ausländischer Juden, die sich unangemeldet in Berlin aufhalten«, fest. Waffen wurden beschlagnahmt.

5. April Im Landesausstellungspark Alt Moabit wird die »Braune Frühjahrsmesse« eröffnet. Sie stand im Zeichen des gewerblichen Mittelstandes.

6. April Die in Berlin erscheinende »Vossische Zeitung« meldet, daß Juden nicht mehr als Kassenärzte zugelassen werden.

7. April Die Berliner Anwaltskammer teilt mit, daß von den bislang 3 500 in Berlin zugelassenen Rechtsanwälten mehr als zwei Drittel wegen ihrer jüdischen Abstammung die Gerichte nicht mehr betreten dürfen. Es gab nur wenige Ausnahmen.

7. April Der Schutzverband deutscher Schriftsteller schließt zwölf weitere Schriftsteller aus. Unter ihnen befanden sich Anna Seghers, Ernst Toller, Ludwig Renn und Arnold Zweig.

7. April Mit dem Gesetz zur »Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« beginnt die gezielte Entlassung von jüdischen Wissenschaftlern und Lehrkräften.

8. April Rudolf Heß, Stellvertreter des Führers der NSDAP, verbietet Mitgliedern der NSDAP, SA und SS Eingriffe in Wirtschaftsunternehmen und Banken vorzunehmen. Auch gegen Gewerkschaften sollte nicht ohne Absprache vorgegangen werden.

16. April In der Nacht zum 17. April wird der Graphiker, Fotomonteur und Maler John Heartfield in seiner Wohnung in der Potsdamer Straße von SA- Männern überfallen. Heartfield floh zunächst nach Prag und 1938 weiter nach England.

19. April Bei den Wahlen zum Sachverständigenausschuß der Presse für die Berliner Börse können die NS-Vertreter nicht die gewünschte »Gleichschaltung« durchsetzen. In einem Brief an die Berliner Industrie- und Handelskammer erhoben sie »schärfsten Protest«.

20. April Am 44. Geburtstag des Reichskanzlers Adolf Hitler wird auf »prunkvolle« Feiern in Berlin verzichtet. Die Einwohner waren zu Spenden für erholungsbedürftige Kinder Berlins aufgerufen. Hitler selbst befand sich an diesem Tag in München.

25. April Der Magistrat Berlin entsendet anstelle der ausgeschiedenen und abberufenen städtischen Mitglieder sechs nationalsozialistische Mitglieder der Stadtverwaltung in den Aufsichtsrat der »Berliner Kraft- und Licht-Aktiengesellschaft«.

26. April Die Abteilung IA des Berliner Polizeipräsidiums, die direkt Göring unterstellt wurde, zieht in die Kunstbibliothek in der Prinz- Albrecht-Straße 8 (Niederkirchnerstraße, Mitte) ein. Sie wurde zum »Preußischen Geheimen Staatspolizeiamt« ausgebaut.

26. April Der »Ausschuß zur Säuberung der Berliner Stadtbibliothek von marxistischem Schrifttum« sendet den Stadt- und Volksbüchereien Listen von »schädlicher Literatur« zu, die auf großen Plätzen öffentlich verbrannt werden soll.

30. April Prof. Fritz Haber, Direktor des Kaiser Wilhelm-Institutes für physikalische Chemie und Elektrochemie, reicht beim preußischen Wirtschaftsminister sein Gesuch um die Versetzung in den Ruhestand ein. Im Mai legte er sein Amt nieder und emigrierte.

Mai

1. Mai Der traditionelle Kampftag der Arbeiter wird aufgrund eines Gesetzes vom 10. April 1933 als »Tag der nationalen Arbeit« ein gesetzlicher Feiertag. 1919 war der 1. Mai schon einmal als Feiertag begangen worden.

1. Mai Die Bewag stellt am »Tag der deutschen Arbeit« für die Beleuchtung und sonstige Stromversorgung des Festplatzes auf dem Tempelhofer Feld die technischen Einrichtungen, zum Teil auch den Strom zur Verfügung.

2. Mai Das Berliner Gewerkschaftshaus am Engeldamm (Mitte) wird von der SA besetzt. Das Gewerkschaftsvermögen wurde eingezogen. Am 10. Mai wurde die Deutsche Arbeitsfront (DAF) gegründet und zur Dachorganisation aller Schaffenden erklärt.

2. Mai Die Kultur-Vereinigung »Berliner Secession« wird neu gegründet. Gleichzeitig wurden alle jüdischen Künstler ausgeschlossen.

3. Mai Wilhelm Liepmann, Begründer der sozialen Gynäkologie, erster Lehrstuhlinhaber dieses Fachs und seit 1925 Leiter der Frauenklinik Cecilienhaus in Charlottenburg, verliert wegen seiner jüdischen Abstammung seinen Lehrstuhl.

5. Mai Der kommissarische Stadtschulrat Dr. Hans Meinshausen, u.a. Gauobmann des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB), Gau Groß-Berlin, spricht auf einer Pressekonferenz im Rathaus über die nationalsozialistische Umgestaltung der Berliner Schulen.

6. Mai Auf einer Kundgebung in der neuen Aula der Friedrich-Wilhelms-Universität spricht Kultusminister Bernhard Rust zu Fragen des am 12. April verkündeten neuen Studentenrechts, das die faschistischen »Rassen- und »Führer-Prinzipien einführte.

6. Mai Jüdische Medizinprofessoren, die das Rudolf-Virchow-Krankenhaus und das Krankenhaus Moabit geleitet haben, werden entlassen.

8. Mai Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Dr. Joseph Goebbels, hält eine Rede vor Berliner Theaterleitern.

9. Mai Eine Gruppe von Pfarrern gibt auf einer Pressekonferenz im Hotel Adlon (Unter den Linden, Mitte) der Öffentlichkeit einen »Aufruf der Jugendreformatorischen Bewegung zum Neubau der Kirche« bekannt. Zu den Jugendreformern gehörte auch Martin Niemöller.

10. Mai Im Plenarsaal des Preußischen Herrenhauses wird die nach dem »Führerprinzip« aufgebaute Deutsche Arbeitsfront (DAF), eine Zwangsvereinigung von Unternehmern und Arbeitern, gegründet. Sie sollte die zerschlagenen Gewerkschaften ersetzen.

10. Mai Auf dem Opernplatz (Bebelplatz, Mitte) werden in Anlehnung an mittelalterliche Bräuche Bücher verbrannt. Sie waren vorher aus Leihbüchereien aussortiert worden. Ein »Kampfausschuß wider den undeutschen Geist« hatte vor allem Studenten dazu aufgerufen.

10. Mai Der Philosoph Alfred Bäumler hält an der Friedrich-Wilhelms-Universität seine Antrittsvorlesung zum Thema »Wider den undeutschen Geist«.

11. Mai Der Maler Max Liebermann gibt bekannt, daß er wegen des judenfeindlichen Kurses der Naziregierung aus der Preußischen Akademie der Künste austritt.

11. Mai Die 14 Berliner Zweigstellen der Kaufhauskette Epa müssen schließen. Die Angestellten hatten »aus Protest gegen die jüdischen Mitglieder des Vorstandes« die Arbeit niedergelegt.

13. Mai Im Völkischen Beobachter erscheint ein Beitrag von Philipp Lenard »Ein großer Tag für die Naturforschung«. Lenard begrüßte darin die Ernennung des Physikers Johannes Stark zum Präsidenten der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt.

16. Mai Max Planck, Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, hat eine Audienz bei Adolf Hitler.

16. Mai Die erste Verbotsliste »Schöne Literatur« erscheint im »Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel«. Unter den »auszumerzenden« Autoren waren Lion Feuchtwanger, Alfred Kerr, Heinrich Mann, Erich Maria Remarque, Kurt Tucholsky und Arnold Zweig.

18. Mai Die Stadtverordnetenversammlung beschließt im Roten Rathaus einstimmig, die Bezüge der ehrenamtlichen Stadt- und Bezirksamtsmitglieder zu senken. In zwölf Minuten wurden insgesamt zwölf Tagesordnungspunkte behandelt.

23. Mai Die Rolle des Kaisers in Johann Wolfgang von Goethes »Faust II«, aufgeführt am Staatstheater in Berlin, spielt Hans Otto. Es war sein letzter Bühnenauftritt.

24. Mai Hitler, Göring, Goebbels und andere NSDAP-Führer tragen sich in das Goldene Buch der Stadt Berlin ein. Zu Ehren der neuen Ehrenbürger wehte am Eingang des Rathauses eine 14 Meter lange und 4,20 Meter breite Hakenkreuzfahne.

27. Mai Die Bewag führt mit eigenen Mitteln die Beleuchtung des Festplatzes am Schlageter-Denkmal anläßlich der Gedenkfeier durch. Albert Leo Schlageter wurde am 26. Mai 1923 wegen Beteiligung an Sabotageaktionen vom französichen Kriegsgericht hingerichtet.

30. Mai Die Stadtverordnetenversammlung beschließt, die aus Leihbüchereien aussortierten Bücher »marxistischen, jüdischen und pazifistischen Inhalts« künftig für den Leihverkehr sperren zu lassen, sie jedoch für den »wissenschaftlichen Gebrauch« aufzubewahren.

Juni

2. Juni Das Gesetz über die »Einsetzung eines Staatskommissars in der Hauptstadt Berlin« tritt in Kraft.

15. Juni Durch Verfügung des Oberbürgermeisters der Stadt Berlin, Heinrich Sahm, darf das Jüdische Krankenhaus keine Wohlfahrtspatienten und keine jüdischen Kranken, für die die Stadt Fürsorgepflicht hat, mehr aufnehmen, außer bei drohender Lebensgefahr.

18. Juni In Tempelhof findet eine große Flugschau statt, bei der auch Segelflug, Schleppflug und eine Luftstaffette neuer Maschinen vorgeführt werden. Als Höhepunkt landete das Zeppelin-Luftschiff, das aus Südamerika kam.

19. Juni Max Planck, Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, erstattet dem Reichsinnenministerium seinen Bericht über die Durchführung des neuen Beamtengesetzes (Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums).

21. Juni Im Bezirk Köpenick beginnen SA-Leute die Einwohner zu terrorisieren. Bis zum 27. Juni wurden über 500 Kommunisten, Gewerkschafter und Sozialdemokraten festgenommen, geschlagen und gefoltert. 24 Personen wurden in der »Köpenicker Blutwoche« ermordet.

22. Juni Bei einer Massenkundgebung im Lustgarten (Mitte) fordert der Chef der Deutschen Arbeitsfront Robert Ley die Führungen der Gesamtverbände der Arbeiter sowie der Angestellten zu einer »Generalsäuberung« von unbotmäßigen Mitarbeitern bis zum 1. August auf.

22. Juni Die SPD wird verboten. Danach kam es auch in Berlin zu neuerlichen Verhaftungen, darunter des Berliner SPD-Vorsitzenden Franz Künstler.

23. Juni Die NS-Presse verbreitet eine Meldung, wonach Flugzeuge unbekannten Typs Flugblätter über Berlin abgeworfen haben sollen. Dies war eine gezielte Falschmeldung, die sich gegen den Versailler Vertrag richtete, der in Deutschland keine Luftabwehr zuließ.

24. Juni Hermann Göring verkündet vor der Presse, daß das Schiller-Theater und die Volksbühne dem Staatstheater angeschlossen werden. Auch die Staatsoper genügte nach Görings Worten dem gewachsenen Kunstbedürfnis der Berliner nicht mehr.

24. Juni Am »Tag der deutschen Jugend« werden in Berlin erstmals zwei Sonnenwendfeiern veranstaltet – für die östlichen Bezirke auf den Müggelbergen, für die westlichen Bezirke im Grunewaldstadion (Charlottenburg).

27. Juni Das Gesetz »Über die Errichtung eines Unternehmens Reichsautobahnen« tritt in Kraft. 1934 fanden zwischen 5 000 und 10 000 Arbeitslose aus der Stadt auf den Autobahn-Baustellen in der Umgebung Berlins zeitweise Beschäftigung.

27. Juni Die NS-nahe Glaubensbewegung Deutsche Christen hält in allen Stadtbezirken von Groß-Berlin Massenversammlungen ab und behandelt das Thema »Gegen Kirchenreaktion – für deutsches Christentum«.

28. Juni Der am 27. April von Reichskanzler Adolf Hitler ernannte »Beauftragte des Führers für Fragen der Evangelischen Kirche«, Ludwig Müller, läßt am Abend das Gebäude des Kirchenbundesamtes in der Charlottenburger Marchstraße von SS-Leuten besetzen.

29. Juni Die Deutschen Christen halten am Abend in den »Tennishallen« in Wilmersdorf eine Massenversammlung ab.

30. Juni Die »Vossische Zeitung« berichtet, daß der ärztliche Direktor am Rudolf-Virchow-Krankenhaus, Prof. Richard Mühsam, freiwillig von seinem Posten zurückgetreten sei, »um der nationalen Revolution Rechnung zu tragen«.

30. Juni Die weltbekannten Direktoren der Staatlichen Museen Wilhelm Waetzoldt, Max J. Friedländer und Ludwig Justi werden von ihren Posten abgesetzt.

Juli

1. Juli In allen Zeitungen (mit Ausnahme des »Völkischen Beobachters«) wird ein Schreiben des Reichspräsidenten an den Reichskanzler Adolf Hitler abgedruckt, in dem von Hindenburg seine Besorgnis über den Kirchenstreit zum Ausdruck bringt.

1. Juli Das Geheime Staatspolizeiamt hat in Berlin und ganz Preußen die Geschäftsstellen kirchlicher Verbände geschlossen. Dazu gehörten Friedensbund deutscher Katholiken, Windhorstbund, Kreuzchor, Sturmchor sowie Volksverein für das katholische Deutschland.

1. Juli Nach einer im Reichsanzeiger veröffentlichten Verordnung endet am 1. Juli die Tätigkeit nichtarischer oder kommunistischer Zahnärzte und Techniker« bei den Krankenkassen. Diese Personen wurden künftig nicht mehr für die Krankenkassen zugelassen.

2. Juli Auf Anordnung des Staatskommissars für die evangelischen Landeskirchen, August Jäger, sind »sämtliche Kirchen, Pfarr- und Gemeindehäuser … außer mit der Kirchenfahne mit der schwarz-weiß-roten und der Hakenkreuzfahne zu beflaggen«.

3. Juli Die Nationalsozialistische Rundfunkkammer e.V. wird in Berlin gegründet. Sie vereinte alle Funkschaffenden in Deutschland.

3. Juli In der Nacht zum 4. Juli schreiben Antifaschisten an die Mauer des Wasserturmgeländes an der Ecke Belforter/Diedehofer Straße mit weißer Ölfarbe das Wort »Hitlerschande«.

4. Juli Während einer nächtlichen Razzia auf dem Rummelplatz Köpenicker Straße (Kreuzberg) werden 800 der dort versammelten 1 200 Personen festgenommen. Der Platz wurde als Treffpunkt der Unterwelt und »unangemeldeter Ausländer« angesehen.

5. Juli Das Institut für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften unter Leitung von Prof.Paul Diepgen hat als erstes unter den medizinischen Einrichtungen der Berliner Universität eine Handbibliothek über den Nationalsozialismus aufgestellt.

7. Juli Auf der Grundlage der »Verordnung zur Sicherung der Staatsführung« werden den sozialdemokratischen Stadtverordneten die Mandate entzogen.

7. Juli Die Geheime Staatspolizei verhaftet 30 Mitglieder der »Beratungsstelle für Ärzte«. Sie warf ihnen »marxistische Geheimbündelei« und »Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde zu Berlin vor«.

17. Juli Die Gestapo führt eine Hausdurchsuchung im Büro der Oppositionellen im kirchlichen Erwerbslosenheim in der Mirbachstraße (ab 31. Mai 1951 Bänschstraße, Friedrichshain) durch und beschlagnahmt das gesamte Wahlmaterial.

August

5. August Die Berliner Zeitung »Tempo« stellt ihr Erscheinen ein.

26. August Im Zuge des Masseneintritts von SA-Männern in die Evangelische Landeskirche zur Stärkung der »Deutschen« Christen werden in Pankow in der Alten Kirche und in der Hoffnungskirche 147 bereits standesamtlich getraute Paare nun kirchlich getraut.

September

1. September Die Anhänger Adolf Hitlers werden von der Reichsleitung der NSDAP gemahnt, keine Blumen in das vorbeifahrende Auto des Reichskanzlers zu werfen. Es hieß, daß »durch geworfene Blumensträuße leicht Personen verletzt werden« könnten.

1. September 324 männliche und 93 weibliche Mitglieder aus dem sozialdemokratischen Arbeiter- Samariterbund werden in die Sanitätskolonnen des Berliner Roten Kreuzes »eingegliedert«. Das Berliner Rote Kreuz bescheinigte ihnen »vaterländische Gesinnung«.

5. September Die preußische Generalsynode der Altpreußischen Union faßt im Gebäude des Preußischen Herrenhauses in der Leipziger Straße den Beschluß, den »Arier-Paragraphen« einzuführen.

6. September Der Physikerin Lise Meitner wird die Lehrbefugnis an der Berliner Universität mit der Begründung entzogen, sie sei nicht »rein arischer« Abstammung.

6. September Im Berliner Hospiz St. Michael (Wilhelmstraße 34) konstituiert sich um den Dahlemer Pfarrer Martin Niemöller und den Studentenpfarrer Dietrich Bonhoeffer der Pfarrernotbund, der sich zu einem Zentrum des antifaschistischen Widerstands entwickelte.

10. September In Wittenau werden (wie zuvor am 26. August in Pankow) 32 bereits seit längerem standesamtlich getraute Paare nun kirchlich getraut, wobei die Männer meist in SA-Uniform erschienen.

11. September Der Film »Hitlerjunge Quex« wird uraufgeführt.

12. September Am jüdischen Neujahrsfest zerstören Nazitrupps die Einrichtungen in jüdischen Geschäften und greifen Passanten auf dem Kurfürstendamm an.

12. September Die Friedrich-Ebert-Straße am Reichstagsgebäude wird in Hermann-Göring-Straße umbenannt. Die Straße wurde am 31. Juli 1947 in Ebertstraße umbenannt.

13. September Die Justizpressestelle teilt mit, daß der Mord an den Polizeihauptleuten Anlauf und Lenk vom 9. August 1931 »nunmehr restlos aufgeklärt« ist. Als Täter wurden der 23jährige Erich Mielke und der 24jährigen Erich Ziemer beschuldigt – beide waren flüchtig.

18. September Die in Berlin erscheinende Zeitung »Welt am Abend« wird mit sofortiger Wirkung von der Geheimen Staatspolizei verboten.

19. September Auf dem Gelände der Firma Orenstein & Koppel (Spandau) wird eine umfangreiche Luftschutzübung abgehalten, bei der das Verhalten einer größeren Betriebsbelegschaft bei Luftalarm getestet wird.

21. September Die Reichstheaterkammer verfügt die Einsetzung eines Reichsdramaturgen. Dr. Joseph Goebbels beauftragte Dr. Rainer Schlösser im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda mit dieser Funktion.

22. September Das »Gesetz über eine vorläufige Vereinfachung der Verwaltung der Hauptstadt Berlin« wird erlassen. Es hatte die Ausschaltung der parlamentarisch-demokratischen Einrichtungen in der Selbstverwaltung zum Ziel.

22. September Das Reichskabinett verabschiedet das Reichskulturkammergesetz. Danach wurden Reichskammern für Schrifttum, Presse, Rundfunk, Theater, Musik und bildende Kunst geschaffen. Sämtliche Künstler und Publizisten sollten der Reichskulturkammer unterstehen.

27. September Die Nationalsozialisten verleihen dem Stadtbezirk Friedrichshain und dem Krankenhaus Friedrichshain den Namen »Horst Wessel« nach dem im genannten Krankenhaus verstorbenen SA-Sturmführer dieses Namens, der 1930 einem Mordanschlag zum Opfer efallen war.

28. September Der am 27. September in Wittenberg von der Nationalsynode zum Reichsbischof gewählte Kandidat der Deutschen Christen, Ludwig Müller, kehrt nach Berlin zurück. Ihm zu Ehren wurde eine Großkundgebung durchgeführt.

29. September Im Harnack-Haus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen den nationalsozialistischen Betriebszellen-Obleuten und einigen Direktoren der Dahlemer Institute der Gesellschaft.

29. September Der Direktor des Berliner Zeughauses, Dr. Moritz Binder, wird entlassen.

Oktober

1. Oktober Prof. Fritz Haber schreibt einen Abschiedsbrief an sein Institut, das Kaiser-Wilhelm- Institut für physikalische Chemie. Haber hatte im April um seine Versetzung in den Ruhestand gebeten, im Mai die Leitung niedergelegt und war noch 1933 emigriert.

1. Oktober Im Theater des Jüdischen Kulturbundes in Berlin hebt sich zum erstenmal der Vorhang zur Aufführung des dramatischen Gedichtes »Nathan der Weise« von Gotthold Ephraim Lessing.

4. Oktober Der »Werkverein der Bewag« wird als Zusammenschluß aller Werkangehörigen zur Pflege des »nationalsozialistischen Gedankens« bei künstlerischer Betätigung, Geselligkeit und Sport gegründet. Der Verein gab die Monatsschrift »Der Stromkreis« heraus.

5. Oktober Reichskanzler Adolf Hitler besichtigt in Begleitung des Reichsministers des Inneren, Dr. Wilhelm Frick, des Reichssportführers und des Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees das Grunewaldstadion und das Sportforum (Charlottenburg).

5. Oktober Der Minister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Joseph Goebbels verkündet im Berliner Haus der Presse das vom Reichskabinett beschlossene neue Schriftleitergesetz. Der Begriff Pressefreiheit wurde danach durch »Presseverantwortung« ersetzt.

5. Oktober Reichskanzler Adolf Hitler entscheidet, daß die Kosten für die Errichtung der Olympia-Bauten vom Reich getragen werden. Das Olympiastadion (Charlottenburg) sollte 100 000 Sitzplätze erhalten.

9. Oktober Die »Herren Dienststellenleiter« der Bewag werden aufgefordert, in ihrem Briefwechsel das Wort »Hochachtungsvoll« mit sofortiger Wirkung durch »Mit deutschem Gruß« zu ersetzen.

13. Oktober Der Pfarrernotbund, der sich am 6. September gebildet hatte, führt in der Berliner Singakademie (Am Festungsgraben 2, Mitte) eine Versammlung durch, auf der Karl Barth einen Vortrag zum Thema »Reformation als Entscheidung« hält.

14. Oktober An der Technischen Hochschule Berlin wird die Fakultät für Allgemeine Technologie – ab 4. September 1935 »Wehrtechnische Fakultät« – gegründet. Sie sollte die wissenschaftlich-technischen Belange der Wehrmacht hinsichtlich Forschung und Lehre vertreten.

17. Oktober Auf einer Massenkundgebung im Berliner Sportpalast (Potsdamer Straße, Schöneberg) verkündet Reichsjugendführer Baldur von Schirach die Eingliederung der nationalsozialistischen Jugendbetriebszellen in die Hitlerjugend.

20. Oktober Im Pfarrhaus von Martin Niemöller in Dahlem, Cecilienstraße (Pacelliallee 61), findet die erste gemeinsame Sitzung der Vertrauensleute aus der gesamten Evangelischen Kirche statt. Die Veranstaltung wurde von 37 Teilnehmern aus 18 Landesgemeinden besucht.

20. Oktober In Pankow, Wollankstraße 126, wird ein Muster-Luftschutzkeller »festlich« eingeweiht.

November

7. November Die Stadt Berlin gibt bekannt, daß alle 1 500 Zeithilfen, die für die Volkszählung im Sommer eingestellt worden waren, mindestens bis zum nächsten Frühjahr weiterbeschäftigt werden. Ein Teil der Leute wurde u.a. von der Bewag, Gasag und BVG übernommen.

9. November Auf dem Potsdamer Platz (Mitte) inszeniert die NSDAP eine Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer des Hitler-Putsches von 1923 in München.

12. November Die Stadtverordnetenversammlung tagt zum letztenmal bis zu ihrer Neuwahl nach dem Zweiten Weltkrieg. 1934 wurde sie aufgelöst.

13. November Der für die KPD illegal wirkende Schauspieler Hans Otto wird in einem Café am Victoriaplatz von der SA verhaftet.

13. November Im Berliner Sportpalast (Schöneberg) findet eine Generalmitgliederversammlung der Deutschen Christen statt, an der 10 000 Anhänger teilnehmen. Redner war u.a. Gauobmann Dr. Reinhold Krause.

15. November Im großen Saal der Philharmonie wird die Reichskulturkammer gegründet. Präsident wurde Joseph Goebbels, Vizepräsident Walther Funk. Die Kammer war in die Ressorts Musik, bildende Künste, Theater, Schrifttum (Literatur), Presse und Rundfunk unterteilt.

15. November 1 400 Berliner Juristen treffen sich in den Wilmersdorfer Tennishallen zu einem »Generalappell der Berliner Rechtsfront«. Der Reichsjustizkommissar, Staatsminister Dr. Hans Frank, sprach über die Neugestaltung des deutschen Rechts.

17. November In einer weiteren Satzungsänderung der Versuchsanstalt für Luftfahrt wird beschlossen, daß alle Vorstandsmitglieder vom Reichsminister der Luftfahrt bestellt und die Abteilungen zu Hauptgruppen zusammengefaßt werden.

18. November Der Physiker Max von Laue hält im Deutschlandsender zum Thema »Die deutsche Mitarbeit an der Gestaltung des heutigen physikalischen Weltbilds« einen Rundfunkvortrag.

19. November Zu Beginn der Spandauer Heimatwoche wird das Spandauer Heimatmuseum und die damit verbundene Heimatschau in einem Lichthof des Rathauses wiedereröffnet.

19. November Die NS-nahen »Deutschen Christen« der Evangelischen Kirche feiern den 450. Geburtstag von Martin Luther mit einer Massenkundgebung im Lustgarten (Mitte).

24. November Der Schauspieler Hans Otto, der seit 1930 an Berliner Bühnen tätig war, wird während seiner Haft von der Gestapo ermordet.

24. November Die Geheime Staatspolizei teilt mit, daß es ihr gelungen sei, »insgesamt 2 300 kommunistische Funktionäre zu verhaften und allein in Berlin etwa 25 000 Zentner illegalen Druckschriftenmaterials zu beschlagnahmen«.

Dezember

1. Dezember Im Ufa-Palast am Zoo (Charlottenburg) hat der Propaganda-Film »Der Sieg des Glaubens« Welturaufführung. Der Film von Leni Riefenstahl und Sepp Allgeier (Kamera) behandelte den NSDAP-Reichsparteitag 1933 in Nürnberg.

1. Dezember Im Schiller-Theater wird das »Preußische Theater der Jugend« eröffnet. Wer sich verpflichtete, alle Vorstellungen des Spielplans zu besuchen, konnte Mitglied der Deutschen Jugendbühne werden. Das Abonnement kostete dann 55 Pfennig, bei Opern 90 Pfennig.

1. Dezember Der Hauptschriftleiter der Zeitung »Der Angriff«, Karoly Kampmann, wird zum Leiter des Landesverbandes Berlin der Deutschen Presse und Chefredakteur Ingemar Berndt zu dessen Stellvertreter bestellt. Botaniker Carl Erich Correns, Direktor des Kaiser- Wilhelm-Instituts für Biologie, statt.

2. Dezember Die Ausstellung »Der Osten, das deutsche Schicksalsland« wird im ehemaligen Kaufhaus Jonas am Bülowplatz (R.-Luxemburg-Platz) eröffnet. Sie sollte »mit dem Fleiß und dem Können, aber auch mit den Sorgen der östlichen Grenzlandbevölkerung bekanntmachen«.

2. Dezember An der Buckower Chaussee in Britz wird der Grundstein für die erste deutsche Frontkämpfer-Siedlung gelegt. Ihr wurde der Name Albert- Leo-Schlageter-Siedlung gegeben.

5. Dezember Der Preußische Minister für Wirtschaft und Arbeit, Dr. Kurt Schmitt, ordnet an, daß in Berlin und ganz Preußen »bewährte Kämpfer der nationalsozialistischen Bewegung«, insbesondere SS- und SA-Männer, bevorzugt einzustellen sind.

7. Dezember SA-Stabschef Ernst Röhm erklärt vor der Auslandspresse in Berlin, die SA sei der »Willens- und Ideenträger der nationalsozialistischen deutschen Revolution« und könne schon mangels schwerer Waffen gar nicht in eine kriegsfähige Truppe umgewandelt werden.

9. Dezember Im Verlag Deutsche Kultur-Wacht, Berlin-Schöneberg, erscheint das Buch »Hitlers rasende Reporter – Mit dem Führer kreuz und quer durch Deutschland«. Die Honorare für das Buch flossen restlos der »Hitler-Spende für die nationale Arbeit« zu.

12. Dezember In der Krolloper (Tiergarten) tritt der am 12. November gewählte Reichstag zusammen. Wegen der NS-Dominanz und der Kürze der Sitzung wurde er von der NS-Presse als »Zehnminuten-Reichstag« glossiert, »Motto: Achtung! Heil Hitler! Wegtreten!«.

13. Dezember Im Franz-Eher-Verlag erscheint Joseph Goebbels‘ Buch »Das erwachende Berlin«. Darin registrierte Goebbels eine »eigenartige Atmosphäre« in Berlin, in der eine »nüchterne Klarheit des Denkens, die fast grausam und herzlos wirkt«, herrscht.

14. Dezember Der »außerordentliche Gau-Pressetag« des Berliner Landesverbandes des Reichspresseverbandes registriert eine »hundertprozentige nationalsozialistische Führung des Berliner Verbandes«, die durch die Inkraftsetzung des Schriftleitergesetzes möglich wurde.

14. Dezember Reichskanzler Adolf Hitler gibt in einer Erklärung seine »endgültige Genehmigung zum Beginn und zur Durchführung der Bauten auf dem Stadiongelände« für die Olympischen Spiele 1936. Es hieß, die Sportstätten würden »ihresgleichen in der Welt« suchen.

16. Dezember Reichskanzler Adolf Hitler übergibt ein Faß mit badischem Wein, das ihm junge Weinbauern in die Reichskanzlei gebracht hatten, der chirurgischen Klinik in der Ziegelstraße (Mitte).

16. Dezember Regierungsbaumeister Werner March und sein Bruder Walter werden von Adolf Hitler für die Umsetzung seines Olympiaplans eingesetzt. Eine halbe Million Kubikmeter Boden waren zu bewegen.

19. Dezember Im Hotel Esplanade in der Bellevuestraße verspricht der amtierende Reichsbischof Ludwig Müller bei einem Essen dem Führer der Hitlerjugend (HJ) Baldur von Schirach, die Evangelische Jugend der HJ zu unterstellen.

19. Dezember Am Erweiterungsbau des Reichspropagandaministeriums (Wilhelmstraße, Mitte) wird Richtfest gefeiert.

22. Dezember Die Justizpressestelle teilt mit, daß der Prozeß gegen die Mörder von Horst Wessel, der am 14. Januar 1930 angeschossen wurde, wieder aufgenommen wird. Der 26jährige Maler Sally Epstein und der 31jährige Schiffer Peter Stoll wurden des Mordes angeklagt.

22. Dezember Im Berliner Verlag für Recht und Verwaltung C. A. Weller erscheint ein »Führerkalender« für 1934. Er galt als Wegweiser durch die Behörden und enthielt die Namen aller wichtigen Funktionsträger in Berlin.

22. Dezember Das Berliner Schwurgericht verurteilt den 38jährigen Feilenhauer Rudolf Sönker zu drei Jahren Zuchthaus. Er wurde beschuldigt, im Reichstagsbrandstifterprozeß unter Eid eine Reihe von Falschaussagen gemacht zu haben.

29. Dezember Die Berliner Behörden werden angewiesen, »nach altem Brauch« am Neujahrstag erstmalig wieder Fahnen zu hissen. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, gleiches zu tun.

Aus: Chronik zur Berlingeschichte: Das Jahr 1933